Projektbericht November 2018

In Nepal gehen die Uhren anders – das ist bekannt. Wenn ein lange vorbereiteter und geplanter Einsatz schon in Deutschland geändert werden muss, ist das eher ungewöhnlich. So erging es uns, dem medizinischen Team mit Claudia Stall, Carmen Fischer-Weißschuh, Lisa Funfack, Dr. Karen Schwab und Anne Claußnitzer. 48 Stunden vor Abflug musste Dr. Rainer Claußnitzer selbst akut ins Krankenhaus. Flug stornieren, Gepäck umpacken, Programm ändern, das Team neu informieren und letztlich entscheiden: fliegen oder bleiben? Ersteres war der Fall und wir landeten nach problemloser Reise am 3.11. 2018 in Kathmandu. Pema Doma Sherpa begrüßt uns selbst und bei aller Sorge der letzten Tage ist es, als wartet die zweite Familie.

Das Team – für das diese Art Projektarbeit neu ist – macht sich am 4.11. nach Mundu im Langtang auf, um Land und Leute kennenzulernen, besucht die mit Hilfe des Vereins wieder aufgebaute Lodge und den von uns unterstützten Health Post. Der vom Verein in Mundu deponierte Wasserfilter PAUL erhält kurze Zeit später von einem Kontrolleur aus Deutschland die Bestnoten:

„Ich bin 25 Jahre alt und habe vor kurzem meinen Bachelor of Science Umweltingenieurwesen an der Universität Kassel absolviert. Aktuell befinde ich mich in Nepal für eine Evaluations- und Wartungsreise der Portable Aqua Unit for Livesaving. Da der Wasserfilter an der Universität Kassel von Prof. Dr. F.-B. Frechen entwickelt wurde, habe ich während meines Studiums einiges darüber gelernt. Letztens habe ich auf meinem Trek in der Langtang Region einen Filter von euch gefunden und wollte euch mal kurz durchgeben, was ich dabei so herausgefunden habe.

Also die PAUL Einheit war bis oben hin gefüllt (gut). Das Sieb vor dem Filter wird nicht gereinigt. Dies ist allerdings aufgrund des sauberen Wassers im Langtang Valley nicht notwendig. Die Reinigung über den Bottom Outlet erfolgt regelkomform alle 4,5,6 Tage. Der Durchfluss liegt bei ca. 4320 Litern pro Tag. Der Wert ist super und zeigt, dass der Filter oft viel genutzt wird und auch regelmäßig gereinigt wird. Im Schnitt (ca. 35 Filter) liegt bei 3375 Litern pro Tag. Genutzt wird der Filter frei für alle Menschen in dem Dorf (glaube es war Mundu) und vorbeikommende Trekker und fürs Kochen der Gäste des Guesthouse.Summa Summarum wird er super genutzt!“

Für mich beginnen die Vorbereitungen in Kathmandu. Der Medikamentenbestand muss überprüft und ergänzt werden, frühere Patienten aus dem Aruntal treffe ich – hier wird ggf. die weitere Behandlung besprochen und die Quittungen abgerechnet.

Kleiner Patient aus dem Aruntal mit seiner Mutter und Petra Alfreider aus Südtirol, die ganz wesentlich die medizinische Behandlung finanzierte – Danke, Petra!

Zwei von Rainers ehemaligen Kollegen aus dem Reutlinger Krankenhaus kann ich ausführlich sprechen: sie haben gerade ärztliches Personal in unserer Projektregion geschult und ich bin sehr dankbar für diese Informationen. So drängen sich Termine und nach wenigen Tagen ist unser Team komplett; auch Claudia Stall reiste nach Kathmandu an.

Das Team ohne Kunsang Tamang

Übersetzen und unterstützen werden uns Kunsang Tamang (Kinderkrankenschwester) und Pramika Maharjan. Als erfahrene Hebamme unterrichtete sie schon letztes Jahr im Aruntal; auch in Gunsakot wird sie Workshops anbieten.

Da ungewiss ist, welche Verhältnisse uns erwarten, packen wir viel medizinisches Material, ausgemessene Brillen und Kinderkleidung ein.

Gunsakot liegt nordöstlich von Kathmandu in einer Region, die 2015 von den Erdbeben zentral betroffen war – mehr als 500 Menschen starben hier. Pema Doma Sherpa leistete damals gemeinsam mit einem Team aus Sachsen Soforthilfe: organisierte, assistierte den Ersthelfern, dolmetschte und vergaß auch nach der Katastrophe nicht die Region: der Wiederaufbau der Schule des Ortes wurde ganz wesentlich von ihr vorangebracht. Nun steht die Anfrage, ob der Verein den Aufbau eines neuen Health Posts finanzieren würde. Die Pläne hierfür sehen gut aus, aber wie immer möchten wir die Situation vor Ort genau kennenlernen. In zwei Jeeps sind wir unterwegs und je näher wir der Ortschaft kommen, umso öfter sind noch die Notunterkünfte aus Wellblech zu sehen, umso schwieriger wird es für die Fahrer, auf der ausgewaschenen Piste voranzukommen.

Unterwegs nach Gunsakot

 

Die Begrüßung im Dorf ist eher zurückhaltend, doch bald siegt die Neugierde und schon beim Rundgang durch den Ort werden wir von einer kleinen Gruppe Einheimischer begleitet.

Notunterkünfte und neue Häuser in Gunsakot

Sehr einfache Unterkünfte beziehen wir, dann legen wir den Zeitplan der nächsten Tage fest. Eine erste Inspektion des vorhandenen Health Posts zeigt schnell, dass der Zustand von Räumen und Materialien nicht erdbebenbedingt schlecht ist und wir werden Vieles zu besprechen haben.

Behandlungs- und Vorratsraum, Health Post Gunsakot

Im Amt des Bürgermeisters finden an den folgenden Tagen Workshops für die volunteers statt (von unterschiedlichen Team-Mitgliedern gehalten), Claudia und Carmen bieten Brillen-Sprechstunde an, Lisa wird Patienten physiotherapeutisch beraten und behandeln.

Carmen und Claudia bei der Arbeit

Lisa und Carmen bei der Arbeit

Den Teil der Sprechstunden muss Dr. Karen mit Unterstützung von Kunsang, Pramika und Anne bewältigen, was richtig viel Arbeit ist.

An einem Tag sind wir in der neuen Schule und Lisa bietet ein kleines Präventionsprogramm für die Schüler an: heben, tragen, lange laufen, wie geht das, ohne dass Gelenke und Rücken ständig schmerzen? Die Kinder sind begeistert bei der Sache!

Die neue Schule in Gunsakot, mit Unterstützung von DIAMIR und der Ngima Dawa Foundation im Wiederaufbau


Bilder von den Workshops

Pramika unterrichtet die Volunteers zu Komplikationen bei der Geburt; viele Frauen entbinden nach wie vor zu Hause und werden von diesen Volunteers unterstützt, die aber keine medizinische Ausbildung haben.

Transportverbände, Schocksituation, Puls fühlen, stabile Seitenlage… mit Carmen, Claudia, Lisa, Pramika, Anne

Hygiene und richtiges Händewaschen mit Kunsang und Dr. Karen

Die Tage vergehen schnell. Mit  Bürgermeister und Schuldirektor sprechen wir zunächst über das Anliegen eines neuen Health Posts und die Verhältnisse vor Ort.

Für ein weiteres Meeting reist extra Pema Doma Sherpa an: gut 45 Gehminuten oberhalb von Gunsakot liegt das Dorf Manekharka und dort gibt es gleich zwei Health Posts, einen staatlichen (vom Internationalen Roten Kreuz wieder aufgebaut) und ein Health Center, welches vom Lehrkrankenkaus Dhulikhel (einem spendenfinanzierten, non-profit-Krankenhaus,  Kathmandu) betrieben wird. Dort treffen wir uns am runden Tisch und nehmen gleich zwei Patienten zur Behandlung mit.

Health Center Manekharka und runder Tisch zur Situation der medizinischen Versorgung in der Region

Als zentrales Anliegen hat sich herauskristallisiert, dass die Kommunikation und Vernetzung der Arbeit deutlich besser werden muss! Patienten aus Gunsakot sollten auch in Manekharka medizinisch betreut werden können, ohne (etwa für Medikamente) mehr zu bezahlen, als in einem staatlichen Health Post. Oft fehlt der sehr armen Bevölkerung jegliches Geld für medizinische Behandlungen und so wird über diesen Punkt ausgiebig diskutiert. Am Ende herrscht in vielen Punkten Einigkeit, was auch nötig ist, da die Zufahrt nach Gunsakot während der Monsunzeit oft nicht benutzbar ist und die Menschen auf das Health Center in Manekharka angewiesen sind. Wir versprechen, zu diesen Fragen mit allen Beteiligten in Kontakt zu bleiben.

Materialübergabe (besonders für arme Patienten!) und Behandlungsraum in Manekharka

Neben vielen Patienten mit „alltäglichen“ Beschwerden sehen wir auch einige, die eine weiterführende Behandlung brauchen, welche auch gleich in die Wege geleitet und von uns bezahlt wird. Pramika und Kunsang werden sich darum kümmern und die jeweiligen Quittungen sind schon teilweise online bei uns angekommen.

Die junge Frau mit dem Tumor wurde bereits in Kathmandu operiert

Das Epilepsie-Kind braucht  weitere Diagnostik  in Kathmandu

Am Ende der Tage in Gunsakot müssen wir dem Bürgermeister sagen, dass wir gern das Dorf weiter unterstützen (etwa beim Bau einer neuen Wasserleitung für sauberes Trinkwasser), aber keinen neuen Health Post bauen werden. Der vorhandene muss gepflegt und engagiertes Personal eingestellt werden. Letztendlich versteht er die Argumente…

Nach Beendigung der Workshops bekommen alle Teilnehmerinnen ein Zertifikat und es wird eine schöne Verabschiedung.

Zurück in Kathmandu ist der zweite Teil des Einsatzes in Frage gestellt: der Organisator der Workshops und Sprechstunden in Bung (Solu-Khumbu-Region) hat versäumt, die notwendigen Genehmigungen einzuholen. Das ist ärgerlich, zumal wir dringend gebeten worden waren, in diese Region zu kommen. Alternativ bietet sich der Besuch der White Hill School in Salleri an. Hier betreut der Verein gemeinsam mit der assoziierten „Ngima Dawa Foundation“ und den „Himalaya Hapiness Hunter“ mehr als vierzig Patenkinder, die ohne Unterstützung der deutschen Paten nicht zur Schule gehen könnten. Die Schule mit über 500 Kindern möchte einen Sanitätsraum einrichten und der Direktor fragte nach, ob es möglich sei, Schüler und Lehrkräfte in Erster Hilfe zu schulen. Carmen kehrte nach Deutschland zurück, Lisa brach zu einer Meditationswoche auf, Dr. Karen, Claudia und Anne konzipierten das neue Programm für Salleri.

Zuvor hatten wir die schöne Aufgabe, einen weiteren Wasserfilter PAUL zur Secondary Body Kailash School in Kathmandu zu bringen. Karma – die Schulleiterin – leistete seit den Erdbeben enormes. Gerade entsteht mit kräftiger finanzieller Unterstützung des „Fördervereins Patenschulen“ ein neues, erdbebensicheres Schulgebäude für die fast 1000 Schüler. Ein PAUL ist schon lange in Betrieb, dieser zweite soll weiter an die Partnerschule hoch im Nordwesten Nepals gebracht werden. Es ist ein berührender und schöner Vormittag. Wir sind froh, dank vieler großartiger Spenden diese Direkthilfe leisten zu können!

 

Dann geht es per Inlandsflug nach Phaplu. Schwer bepackt sind wir, da Pema in einer nächtlichen Aktion noch für alle Patenkinder kleine Geschenke verpackte.

Freundlich ist das „Namaste“ in der Schule. An drei Tagen werden wir 5./6., 7./8. Und 9./10. Klassen jeweils in Theorie (Dr. Karen) und Praxis (Claudia und Anne) unterrichten. Oft sind die Lehrer mit anwesend und es wird intensiv gearbeitet. Besonders an den praktischen Übungen haben die Schüler viel Freude.

Dankbar werden auch die Geschenke angenommen und am Ende steht die Bitte des Schulleiters, unbedingt im nächsten Jahr wiederzukommen. Anrührend und herzlich ist die Verabschiedung.

An einem schulfreien Tag begleitet uns ein Lehrer der Schule zum Kloster oberhalb von Salleri. Auf dem Weg berichtet er viel von den Veränderungen in der Region seit den Erdbeben, von Fortschritten, aber auch der sozialen Schere, die gerade sehr weit aufgeht. Am Kloster gibt es rege Bautätigkeit. Es kommen immer mehr Schüler, die Internatskapazität muss erweitert werden.

Begeisternd ist der Health Post: nach den Erdbeben wurde er neu gebaut. Eine Ärztin, die sieben Jahre tibetische Medizin studierte, sich aber auch in westlicher Schulmedizin auskennt, betreut hier kostenlos Patienten aus der ganzen Umgebung. Wunderbar sauber und geordnet sind die Räume, aufmerksam und freundlich werden unsere Fragen beantwortet. Hier wird unser Ideal gelebt, die traditionelle einheimische mit unserer Schulmedizin sinnvoll zu verbinden!

Zurück nach Kathmandu geht es in mühsamen zehn Stunden per Jeep, da der Inlandsflug gecancelt wurde. Am nächsten Tag treffen wir Tsedar und Bhala, unsere Projektpartner der letzten sechs Jahre im Aruntal. Es ist ein herzliches Wiedersehen. Gute Informationen gibt es vom Health Post in Hatyia; das mobile Ultraschallgerät funktioniert, neben dem Healthworker wurde noch eine Nurse ins Training geschickt. Die Health Posts zwischen Num und Hatyia brauchen nach wie vor Unterstützung. Für das große Kardamom-Projekt, in welches Tsedar schon viel Kraft investiert hat, fehlt nach den Kommunalwahlen im letzten Jahr die politische Unterstützung. Neue Wege müssen gefunden werden und zu all diesen Themen stehen wir in engem Kontakt.

Noch weitere schöne und interessante Begegnungen folgen, bevor wir mit einem großen Merkzettel für die kommende Projektarbeit nach Deutschland zurückkehren, denn nach der Reise ist immer vor der Reise.

 

Allen, die nun schon seit Jahren unsere Arbeit unterstützen sei von Herzen dafür gedankt!

 

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